TTIP ist tot

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Sein Wahlsieg war nicht nur ein Unerwarteter, sondern sorgte für eine regelrechte weltweite Schockstarre. Donald Trump: Immobilientycoon, Celebrity und 45. Präsident der Vereinigten Staaten! Seit der Wahl ist nun mehr als ein Monat vergangen, erste Schreckenszenarien sind einer Art Zweckoptimismus gewichen und die Welt versucht sich langsam mit dem neuen Status quo zu arrangieren. Nur die offenen Fragen sind geblieben. Welche Auswirkungen wird ein Donald Trump auf die Weltwirtschaft haben? Wie wird sein Umgang mit Russland, China und Nordkorea sein? Und ganz besonders, wird TTIP unter ihm noch eine Zukunft haben?

Trotz aller Verunsicherung, die mit der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten einherging, war sich die EU-Kommission schnell einig, dass dieses historische Ereignis zugleich den Verhandlungsstopp für das Freihandelsabkommen TTIP bedeutet. Für die EU-Außenhandelskommissarin Cecilia Malmström herrscht große Unklarheit, was unter einem Präsidenten Donald Trump passieren wird und erwartet daher keine weiteren TTIP-Verhandlungen in absehbarer Zukunft. Laut Diplomaten sagte Cecilia Malmström vor Ministern, dass sie zurzeit nicht wisse, ob nach ein, zwei oder drei Jahren weiterverhandelt wird, oder dies überhaupt irgendwann noch geschehen werde. Frankreich, das bereits vor der US-Wahl einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen forderte, sieht sich in der eigenen Einschätzung voll bestätigt und erklärte ihrerseits TTIP für nun endgültig gescheitert.
Frankreichs Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl, fordert die Verhandlungen nun endgültig zu stoppen. Nach über drei Jahren und 15 Verhandlungsrunden sieht er keine bis nur wenige Vertragseckpunkte auch nur annähernd abgeklärt und bezeichnet den jetzigen Vertragsentwurf als völlig inakzeptabel. Neben Frankreich fordern Österreich und zuletzt auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Verhandlungsstopp. Offiziell unterstützt die deutsche Bundesregierung das Freihandelsabkommen aber weiterhin.

Ähnlich wie die Bundeskanzlerin Merkel, eine der großen Befürworter des transatlantischen Freihandelsabkommens, spricht auch der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig von lediglich einer Verhandlungspause. In Angesicht des Macht- und womöglich politischen Richtungswechsels in den USA wird es zwar keine Vertragsunterzeichnung bis zum Ende der Regierungsperiode von Barack Obama mehr geben, aber nach Trumps Regierungsantritt im Jänner möchte er alle verfügbaren Optionen prüfen. Wann und ob eine nächste Verhandlungsrunde angesetzt wird, weiß auch er noch nicht einzuschätzen.

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Und er konnte doch nicht! Unter der Amtszeit von Barack Obama wird es keine TTIP-Vertragsunterzeichnung mehr geben und selbst über die Zukunft des bereits fertig ausverhandelten TPP-Abkommens lässt er Donald Trump frei entscheiden.

Auch Vertreter der Europäischen Union in Brüssel wollen in Hinblick auf die Zukunft von TTIP und anderen Handelsabkommen in denen die USA verstrickt ist, keine voreiligen Schlüsse ziehen und sehen sich mit der Kritik konfrontiert, die Augen vor vollendeten Tatsachen zu verschließen. Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen sieht in der Schaffung neuer Jobs und einem besseren Investitionsklima weiterhin beste Voraussetzung für einen Abschluss der TTIP-Verhandlungen. Obwohl durch den Regierungswechsel in Washington eine Verhandlungspause über mehrere Monate eintreten wird, möchte er auf die bislang fehlende Stellungnahme Donald Trumps verweisen, die klar gegen TTIP sprechen würde.

„Ich persönlich habe keine starken Worte gegen TTIP gehört.“

– EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Kotainen

Bereits im Wahlkampf zeigte sich Donald Trump wiederholt ablehnend gegen die Handelsabkommen TPP und CETA und stellte auch die Option in den Raum, das Handelsabkommen NAFTA von 1994 nochmals neu verhandeln zu wollen. Besonders das von der US-Seite angestrebte TPP-Handelsabkommen mit den Pazifik-Anrainerstaaten stand unter seiner wiederholter Kritik, da er die Vernichtung heimischer Arbeitsplätze infolge einer Auslagerung von einzelnen wirtschaftlich bedeutenden Produktionszweigen in Billiglohnländer befürchtete. Eine Angst, die auch von europäischer Seite mit TTIP geteilt wird, aber bisher von Trump wenig Beachtung geschenkt wurde. Im Gegensatz zu den Großen, mit unabsehbaren Risiken für die eigene Wirtschaft festgeschriebenen Vertragsklauseln, bevorzugt Donald Trump den zukünftigen Fokus maximal auf wesentlich kleinere bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten oder Wirtschaftsnationen zu setzen. Damit ist es wesentlich einfacher auf nationale Belange einzugehen und letztendlich einen soliden und qualitativen Vertrag aufzusetzen.
Ob die großen US-Konzerne um jeden Preis auf ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA nach der Inkraftsetzung von CETA noch angewiesen sind, wird sich erst zeigen müssen. Seit fast jeder namhafte Konzern in den USA auch über eine Niederlassung in Kanada verfügt, kommen sie auch ohne die USA und ohne Gegenleistung in den Genuss aller Vorteile. Da im CETA-Abkommen auf ausdrücklichen Wunsch der EU (!) die Schiedsgerichte nicht herausgenommen wurden, können EU-Staaten von US-Konzernen auch ohne TTIP verklagt werden. Eine Paralleljustiz, die in solchem Umfang leicht zu vermeiden gewesen wäre.

Wenn auch die Republikaner unter Donald Trump eine wesentlich umfassendere Regierungsfreiheit als der scheidende demokratische US-Präsident Barack Obama genießen wird, könnte die Skepsis aus den eigenen Reihen zum Stolperstein des nicht allzu gut vernetzten neuen Präsidenten werden. In den USA ist die Fraktionsdisziplin mitunter nur schwach ausgeprägt und viele Abgeordnete fühlen sich den Wählern mehr verpflichtet als der eigenen Partei. Neben der wiederholten Kritik gegen frühere Präsidentschaftskandidaten aus den eigenen Reihen, sowie seinen verbalen Ausschweifungen gegen Einzelpersonen aus den Kreisen der Republikanischen Partei, halten viele Republikaner äußert wenig von seinem Vorschlag, eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko zu errichten oder aus bereits ausgehandelten Handelsabkommen auszusteigen. Dementsprechend zeichnet der neue Chef des IHS (Institut für höhere Studien) Martin Kocher ein weit weniger düsteres Bild einer USA unter Donald Trump. Er glaube nicht, dass Donald Trump allzu forsch in diese großen Themen einsteigen wird und tatsächlich geltende Handelsabkommen aufkündigt. Überdies profitierte seiner Meinung nach die US-Wirtschaft von Handelsverträgen bisher enorm. An eine Fortsetzung der Verhandlungen zu einem TIPP in der jetzigen Form glaubt aber auch er nicht. Zumindest nicht in absehbarer Zeit.

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Sein Vorschlag eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten, ist innerparteilich sehr umstritten.

Es steht außer Frage, dass durch die Wahl von Donald Trump die Forcierung großer Abkommen stark ins Stocken geraten ist und sich die EU darum vorerst mit wirtschaftlich kleineren Partnern wie Japan, Ecuador und Kanada begnügen muss. So werden über ein Freihandelsabkommen des Andenstaates mit der EU die Einfuhrzölle für das wichtigste Exportgut Bananen von derzeit 124 Euro pro Tonne bis 2020 auf 75 Euro sinken. Obwohl darüber wenig in den Medien berichtet wird, werden zurzeit für CETA alle Weichen gestellt, damit das ebenfalls umstrittene Abkommen zwischen der EU und Kanada im März vorläufig in Kraft treten kann. Auch wenn zuletzt der Sozialausschuss im Europaparlament dazu eine kritische Stellungnahme abgab, erwartet man am zweiten März im Plenum eine klare Mehrheit.

Welche weitreichende Folgen bereits ein Rückzug der USA aus vergleichbar kleineren internationalen Abkommen hat, zeigt sich beim Dienstleistungsabkommen TiSA. Während TTIP bereits lange vor der US-Wahl keine merkbaren Verhandlungsfortschritte mehr verzeichnete und beinahe jeder Annäherungsversuch der beiden Wirtschaftsgroßmächte ins Leere lief, glaubte man bei TiSA noch vor wenigen Wochen kurz vorm finalen Durchbruch zu stehen. Seit 2012 verhandelt die EU mit 22 anderen Staaten wie Japan und den USA um eine Öffnung der Services. Es handelt sich hierbei um die Schaffung eines annähernd barrierefreien Marktes für Notare, Architekten und viele weitere Branchen. Anstatt die Verhandlungen zum Vertrag zu führen, haben die USA „den Stecker gezogen“, berichtet ein ranghoher Beamter in Brüssel. Ohne die USA fehle der wichtige Gegenpol und ein Abschluss ohne Washington wird in Brüssel als nicht zielführend erachtet.

Obwohl Donald Trump noch nicht einmal offiziell angelobt wurde, wirft er bereits erste Schatten voraus. Erst kürzlich wurde beschlossen, dass das bereits ausgehandelte TTP-Abkommen nicht mehr zur Ratifizierung vorgelegt wird und es somit dem zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump obliegt, ob es zum Beschluss kommt, oder nicht. In Hinblick auf seine bisher ablehnende Haltung gegenüber multinationalen Handelsabkommen ist das eher unwahrscheinlich. Auch in Asien gibt es bereits erste Auflösungserscheinungen und so ließ Pablo Kuczynski, der Staatschef des TPP-Unterzeichnerlandes Peru unlängst mit einer neuen Idee aufhorchen: Er fände ein Asien-Pazifik-Abkommen am besten, in dem auch die beiden Großmächte China und Russland vertreten wären. Ein Aufruf zur rechten Zeit? Eine ähnliche Drohung in Richtung Westen gab es erst vor kurzem von China selbst – wenn sich die USA weiterhin in ihre „nationale Interessen“ einmischen sollten. Provokationen, wie das Telefonat zwischen dem designierten US-Präsidenten Donald Trump und Tsai-Ing Wen, Präsidentin der Inselrepublik Taiwan werden vermutlich auch noch in Zukunft für genügend Zündstoff zwischen den beiden Staaten sorgen.

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Seine politische Unerfahrenheit macht ihn für viele unberechenbar und bereitet Politikern weltweit große Sorgen.

Gegner von multinationalen Freihandelsabkommen mögen vielleicht zurzeit allen Grund zum Jubel haben, wissen aber selbst, dass der Unsicherheitsfaktor Donald Trump noch allerhand an Überraschungen mit sich bringen kann. So hielten sich die vehementesten Gegner – Umweltschutzorganisationen und Grüne – bislang auffällig zurück, denn wer von denen möchte schon gerne bei einem US-Präsidenten Donald Trump in öffentlichen Jubel ausbrechen?

Wie es tatsächlich mit TTIP weitergehen wird, entscheidet schätzungsweise die wohl erst Mitte kommenden Jahres festgelegte Handelspolitik von Trump. Bis dahin versuchen die Verhandlungspartner die Zeit bis zum Amtsende Barack Obamas bestmöglich zu nutzen, um möglichst viel vom Vertragstext fertigzubekommen. Beim EU-Handelsrat soll danach der derzeitige Verhandlungsstand dargelegt werden. Über die Haltung von Donald Trump zum Thema Freihandelsabkommen, im Speziellen zu TTIP, gibt es selbst einen Monat nach seinem Wahlsieg kaum etwas Neues zu berichten. Einzig seine ablehnende Haltung gegenüber TPP und NAFTA in Hinblick auf die Undurchsichtigkeit und Komplexität des Vertragstextes, ist bislang bekannt. Trotzdem ist eines ganz gewiss: Wenn TrumpAmerika wieder groß machen möchte“, wird er weiterhin Maschinen und Produkte aus Europa brauchen. Die Wirtschaft der USA wird auch in Zukunft auf ein Wohlwollen der EU angewiesen sein. Welche Zukunft TTIP und andere Freihandelsabkommen tatsächlich noch haben, zeigt sich wohl frühestens im Jänner.

Das war der dritte Teil des großen TTIP-Spezials! Wie ist deine Meinung zur Zukunft von TTIP? Plant der Hardliner Donald Trump TTIP und TPP endgültig zu Grabe tragen oder wird er gemeinsam mit der Europäischen Union womöglich ein neues Abkommen forcieren? Welche positiven oder negativen Auswirkungen wird der zukünftige US-Präsident auf unser Leben in Europa haben? Schreibt mir eure Meinung in den Kommentaren!   
Die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten und das damit verbundene womögliche Aus von TTIP ist unserer Beitragsserie unverhofft dazwischengekommen. Momentan ist kein weiterer Beitrag zu TTIP geplant, sollte das geplante Handelsabkommen aber nochmals neuen Schwung bekommen, werden wir davon hier exklusiv für dich berichten. Bis dahin verbleiben wir auf Facebook oder hier in den Kommentaren!

Weitere Artikel im Rahmen des TTIP-Spezials:

TTIP – Wo liegt das Problem?
TTIP: Das Ende unserer Landwirtschaft

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Weiterführende Links:

Quellenangaben:
Titelbild: https://pixabay.com/static/uploads/photo/2016/04/22/13/02/ttip-1345714_960_720.jpghttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9b/Republicanlogo.svg/600px-Republicanlogo.svg.png (17.12.2016, 23:03) – Logo Ortstafel TTIP Vs. Demokratie (Abänderung auf „Trump mit Elefant der Republikaner Vs. TTIP“ und Farbänderung mit Photoshop)


https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/48/2016-04-23_Anti-TTIP-Demonstration_in_Hannover%2C_%2810028%29.jpg/800px-2016-04-23_Anti-TTIP-Demonstration_in_Hannover%2C_%2810028%29.jpg (17.12.2016, 23:10) – Mann hält Schild mit „Yes We Can – Stop TTIP“. Bild wurde von Bernd Schwabe aufgenommen.
https://www.flickr.com/photos/16216900@N00/174045778 (17.12.2016, 23:15) – Mauer zwischen Mexiko und den USA. Bild wurde von EdmontMeinfelder aufgenommen.
https://www.flickr.com/photos/gageskidmore/8566717881 (17.12.2016, 23:18) – Donald Trump während der „Concervative Political Action Conference 2013“. Rechte obliegen Gage Skidmore.

 

Vernünftig wählen

vdb_wahlNach einem Jahr Wahlkampf und (fast) drei Urnengängen ist es heute so weit: Österreich bekommt einen neuen Bundespräsidenten. Themen rund um die Flüchtlingskrise, dem rechtem Populismus, den gegenseitigen Anfeindungen, sowie das Gerücht einer Krebserkrankung eines Kandidaten, das letztendlich entkräftet werden konnte, beherrschten die Medien über Wochen und Monate hinweg. Viel zu oft wurde, wenn es denn tatsächlich zu einer sachlichen Diskussion kam, über Ziele und Wahlversprechen, die fern der Kompetenz eines Bundespräsidenten lagen gesprochen. Wir zeigen euch, warum es für das Wohl jedes Bürgers und dem Ansehen des Staates Österreich nur den einen Wahlsieger geben kann und was sein Sieg für unsere Zukunft bedeutet.

Wenn es um das Thema der Migration und dem Mehrwert des Zuzugs aus dem fernen Ausland geht, ist Alexander Van der Bellen von allen Politikern ein wahres Paradebeispiel. Genauso wie viele der Neuankömmlinge aus den scheinbar fernen Krisengebieten in Vorderasien und Afrika fanden auch seine Eltern auf der Flucht vor den Sowjets in Österreich eine neue Heimat. Seine Mutter, eine gebürtige Estin und sein Vater ein gebürtiger Russe mit niederländischen Vorfahren ziehen zunächst nach Wien und wenig später ins Tiroler Kaunertal, ein Ort, den er fortan als seine Heimat bezeichnete. Vermutlich ist es seiner Biografie zu verdanken, dass er den Begriff der Heimatverbundenheit ähnlich stark besetzt wie die FPÖ, aber im Gegensatz dazu dies aus voller persönlicher Überzeugung macht und das Gefühl der Entwurzelung und Heimatlosigkeit im eigenen Elternhaus erfuhren musste. Das macht ihn und seine Worte glaubwürdiger und appelliert damit auch zugleich an konservative, patriotische Wähler.

Österreich liegt mir am Herzen. Österreich ist meine Heimat. Unsere Heimat.“

Alexander Van der Bellen

Zweifellos gilt er als Musterbeispiel einer gelungenen Integration und des gesellschaftlichen Aufstiegs: Von der Volksschule in Innsbruck, über das akademische Gymnasium und einem späteren PhD-Studium, schaffte er es zur politischen Größe in Österreich. Eine außergewöhnliche Karriere, die bereits in wenigen Tagen als ranghöchster Vertreter der Republik Österreich seinen Höhepunkt finden könnte.

Im Gegensatz zu alle anderen Bewerber um das Amt des Bundespräsidenten war er von Beginn an ein Wunschkandidat der ihn unterstützenden Partei. Er ist in den Augen vieler ein würdiger Nachfolger von Heinz Fischer, weil er eben alles andere als ein typischer Politiker ist. Schon als Bundessprecher der Grünen hat der Wirtschaftsprofessor dem Image eines Nicht-Politikers entsprochen. Seine bedächtige Art, sein Humor und der Hang zur Selbstironie haben ihn seit jeher viele Sympathiepunkte eingebracht. Er wird nach wie vor weit über die Parteigrenzen hinaus geschätzt und belegte in Zeiten als Grünen-Chef einen der vordersten Ränge im OGM-Vertrauensindex bei Bundespolitikern. So gaben der Altbundespräsident Heinz Fischer und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss eine eindeutige Empfehlung für den Kandidaten Alexander Van der Bellen ab. Heinz Fischer ist überzeugt, dass Van der Bellen die richtigen Entscheidungen zum großen Projekt Europa habe und für den Staat in den Kontakten zu anderen Ländern der bessere Türöffner sei.

Erst am vergangenen Donnerstagabend zeigte sich eine seiner großen Stärken: Trotz aller verbreiteten Unruhe zeigte er in der abschließenden Tv-Konfrontation Nerven und volle Konzentration – besonders bei heiklen Themen. Und wenn er spricht, zeigt sein Wort große Gewichtung. Er denkt, dann spricht er! Das macht ihn heute, wie auch in Zukunft als Bundespräsident bedeutend weniger anfällig gegen Anfeindungen von außen und obendrein verhandlungssicher.

Vor dem ersten Wahldurchgang und erneut in den letzten Wochen, stellten sich viele Bürger und -innen die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Bundespräsidenten. Eine Frage, die bereits ausführlich diskutiert wurde, aber bei näherer Betrachtung wohl jedem indiskutabel erscheinen mag. Neben dem Empfangen von Staatsgästen und dem Aufbau beziehungsweise der Pflege von Handelsbeziehungen zwischen der Republik Österreich und anderen Staaten konnte der Altbundespräsident Fischer mit seinen Wirtschaftsdelegationen Aufträge für heimische Firmen von einem Gesamtvolumen über 2,5 Milliarden Euro an Land ziehen und damit noch nebenbei 40.000 Arbeitsplätze sichern. Diese Verdienste entsprechen nicht einmal einem Bruchteil der Kosten eines Bundespräsidenten. Diese Zahlen unterstreichen nochmals, welche Qualitäten ein Bundespräsident tatsächlich mitbringen sollte!

Die Basis aller Entscheidungen sind zum einen die Verfassung und zum anderen die Menschenrechte. Die Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention sind zentrale Rechtsgrundlagen und können nicht verhandelt werden! Auch nur der Gedanke an eine mögliche Einführung der Todesstrafe in Österreich, wie sie der Kandidat Norbert Hofer bereits mehrmals angesprochen und ebenso oft dementierte, zeugen von seiner Unberechenbarkeit als Bundespräsident, die in einer modernen Demokratie keinen Platz hat.

Dass der erstarkte rechte Populismus, der im Brexit-Referendum und zuletzt in der US-Wahl einen traurigen Höhepunkt fand, mittlerweile ein besorgniserregendes weltweites Phänomen ist, zeigte sich auch hierzulande wieder vor wenigen Tagen am Webphänomen der 89-jährigen Wienerin Gertrude.

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Der späte Höhepunkt eines langen Wahlkampfes gipfelte in einem Interview mit der 89-jährigen Gertrude aus Wien.

Sie, eine Frau, die selbst als kleines Kind die Anfänge des NS-Terrors miterlebte und schlussendlich alle nahen Familienangehörigen im KZ Auschwitz verlor, möchte uns vor der Verrohung der Gesellschaft und den aufkommenden Parallelen zum Österreich der 30er Jahre warnen. Im Interview erzählt sie von Juden, die die Straßen reinigen mussten, während diese von Wiener Frauen und Männern ausgelacht, und zur Belustigung anderer zur öffentlichen Schau gestellt wurden. Ein über mehrere Jahre aufgekommener, schleichender Prozess des Hasses, der jedes Mitgefühl und Hauch von Menschlichkeit im Herzen der Menschen erstickte. Diese gesellschaftliche Verwerfung gegenüber Anderen – sei es Muslime oder Ausländer an sich, bereitet Gertrude große Sorgen.

„Das Runtermachen, das Schlechtmachen – das stört mich am Allermeisten. Keine Achtung vor den Anderen. Das Niedrigste aus dem Volk, aus den Leuten herausholen. Nicht das Anständigste, sondern das Niedrigste! Und das war schon einmal der Fall!“

Gertrude aus Wien

Besonders als Heinz-Christian Strache von einem nahenden Bürgerkrieg sprach, hat Politik für Gertrude, aber auch für sehr viele andere in diesem Land an Akzeptanz verloren. Selbst wenn dem so wäre, dürfe eine solche Möglichkeit nicht einmal angedacht werden. Schon gar nicht von einem Politiker, der selbst auch noch unermüdlich von sich behauptet traditions- und heimatverbunden zu sein! Ein Politiker, der sich zur österreichischen Republik bekennt, muss das Volk zusammenhalten, anstatt es zu trennen. Schürren von Hass innerhalb der eigenen Bevölkerung hat in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die schlimmsten Abgründe der Menschheit hervorgebracht. Ausgelöst von Vaterlandsverrätern, die sich den Schutz des eigenen Landes und arischer Werte verschrieben hatten.

„Der Ausspruch ‚So wahr mir Gott helfe‘, habe ich im 33er oder 34er Jahr gehört. Das ist von einem Menschen, der eigentlich mit Religion nicht viel am Hut hat.“

Gertrude aus Wien

Van der Bellen ist eine Person, die für Frieden und Zusammenhalt in der Bevölkerung eintritt und einen Bürgerkrieg niemals auch nur im entferntesten Andenken würde. Auch wenn Norbert Hofer nach der letzten Neuausrichtung seiner Wahlkampftaktik den geläuterten, einsichtigen und pflichtbewussten Politiker mimt, ist seine Aussage des letzten Live-Duells mit seinen Kontrahenten Van der Bellen, dass die Politiker „Das Band zu den Menschen verloren haben“, nicht ganz von der Hand zu weisen. Zugleich ist es die FPÖ, oftmals Heinz-Christian Strache selbst, die mit äußerst kontroversen Aussagen versuchten Stimmung gegen Ausländer zu machen und schlussendlich die Gesellschaft immer tiefer gespalten haben. Es scheint als sehen viele eine gewisse schlagfertige Untergriffigkeit als einen Vorzug von Politikern. Vielen scheint tatsächlich wichtiger zu sein, wie ein Politiker die ach so schönen Worte betont und in welcher Redegeschwindigkeit er die Aussage des Anderen gegen die Wand redet, als welche Bedeutung seinen Wörtern tatsächlich zukommt. Das Problem ist nicht die Welt der fehlenden Worte, sondern die der zu Ende gedachten Lösungen!

„Das Wesen der Rechtsdemagogie ist, so zu tun, als hätte man auf alles eine Antwort – aber in Wahrheit hat man für nichts eine Lösung.“

Bundeskanzler Kern zum aufkeimenden Rechtspopulismus

Ein großer Vorzug Van der Bellens ist die Unverwechselbarkeit seiner Person. Was er heute sagt, meint er auch noch morgen und seine Aussagen haben Garantie. So sieht Van der Bellen, als vehementer Verfechter der Menschenrechte, die EU-Sanktionen gegen Russland voll und ganz im Bezug zur unlauteren Annexion der Halbinsel Krim bestätigt. Hofer dagegen unterscheidet ganz klar, ob Menschenrechtsverletzungen durch eine Supermacht wie Russland verübt werden, oder vom türkischen Präsidenten Erdogan, den er laut eigener Aussage im Vergleich zu Putin keinesfalls tolerieren würde. Während die Koalitionsparteien um eine Linie in der Flüchtlingsfrage ringen, vertritt Van der Bellen von Beginn an eine klare Haltung. Das macht ihn als einzig wahren Vertreter des Volkes glaubwürdig und auch berechenbar. In Zeiten des gegenseitigen Misstrauens und Anfeindungen brauchen wir einen einigenden Politiker mehr denn je. Unter Norbert Hofer wird das bereits lodernde Feuer nochmals angefacht werden, während Alexander Van der Bellen sich einem ähnlichen Problem bereits in der Vergangenheit erfolgreich gestellt hat: Von Anbeginn wollten die Grünen immer anders sein, aber weil jeder anders als der Andere sein wollte, waren sie meistens heillos zerstritten. Erst „Sascha“ schaffte es als deren Bundessprecher die lose Gruppierung zu einigen und unter ihnen zu vermitteln und machte die zuvor als Chaosgruppe belächelte Partei zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Großparteien. Ein Verdienst, der bis heute nachwirkt.

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Ein Bundespräsident zum Wohle der Gesellschaft. Für uns alle!

In Zeiten schwerer Krisen, braucht es keinen wankelmütigen Präsidenten, sondern jemanden mit Ausdauer und Konstanz! Jemand, der nicht beim ersten Gegenwind umfällt und sich jeden Tag nach der aktuellen Stimmung im Volk neu positioniert. Van der Bellen zeigt sich zuversichtlich, dass wir in Österreich eine neue Gesprächskultur entwickeln können. Eine Kultur des Respekts, der Wertschätzung und des Einander-zuhören-könnens. Auch wenn er noch nicht alle Lösungen für zukünftige Probleme kennen kann, führt einzig der Weg des Dialogs, der Vernunft und Sachlichkeit zum Erfolg.

Spätestens seit dem erfolgreichen Brexit-Referendum in Großbritannien zeigte sich, welche unumkehrbaren Folgen der Rechtspopulismus mit sich bringt: Viele wählten für einen EU-Austritt als Zeichen des Protests. Selbst im Pro-Brexit Lager war für manch einen Politiker klar, dass ein Austritt aus der Union unvorhersehbare Negativfolgen mit sich bringen würde. Die Überraschung nach dem Referendum war groß, aber die Panik und die Angst vor den Folgen noch viel größer. An diesen Tagen verhallten sogar die Stimmen der Brexit-Fürsprecher.

Unter einem Van der Bellen hat und wird es nie eine Diskussion um einen Verbleib in der EU geben. Und das zurecht, wie sich die Entwicklung in Großbritannien zeigte, die trotz ihrer Wirtschaftsgröße die Notwendigkeit der Teilhabe am kontinental-europäischen Wirtschaftsraum unlängst erkennen mussten. Norbert Hofer und die FPÖ plädierten bis dahin seit vielen Jahren für einen Austritt aus der EU und passten diese Forderung dem Ausgang des Referendums und der daraus resultierten Stimmung im eigenen Land an. Ein verlässlicher Partner, mit dem man gemeinsam regieren möchte, sieht entschieden anders aus.

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Auf sein Wort kann man vertrauen: Ein Austritt aus der EU wird es unter dem Bundespräsidenten Van Der Bellen nie geben.

Keine fünf Monate nach dem verheerenden Brezit-Referendum wiederholte sich Selbiges in den USA, als Donald Trump entgegen der Erwartung vieler – und womöglich auch der Eigenen, zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Ein Milliardär, der selbst Milliarden am Fiskus vorbeischleuste, über keinerlei politischer Erfahrung verfügt und womöglich unvorhersehbare Entscheidungen trifft, die die ganze Welt in den nächsten Jahren bedeutend prägen könnten. Beide Wahlen in jüngster Vergangenheit sollten auch uns allen zu denken geben, wem und welchen schönen Worte wir unser Vertrauen schenken.

Besonders die US-Wahl zeigte uns deutlich, dass man in einem Klima der Sorge und Angst die falsche Hoffnung nicht in schöne Worte und einfache Lösungen setzen sollte, sondern sich ernsthafte Gedanken machen sollte, was diese Person womöglich daraus machen wird! Utopien nachzulaufen und beinahe selbstverständlich die Versprechen nach einem Wahlsieg als nichtdurchführbar zu akzeptieren, ist nicht im Sinne der Sache. Mit noch mehr Misstrauen kann niemals neues Vertrauen in die Politik aufgebaut werden. Es sollte nicht erneut der Fehler gemacht werden, dass in Zeiten der Verunsicherung den falschen Idealen und den falschen Versprechungen nachgelaufen wird und man schlussendlich vor den Scherben der eigenen Geschichte steht. Die Entscheidung einen rechtspopulistischen Politiker aus Protest gegen aufkommende weltpolitische Probleme seine Stimme zu geben und als Abstrafung gegen die Bundesregierung ins höchste Amt zu hieven, mit der Folge ab 2017 oder 2018 tatsächlich von einem blauen Bundeskanzler regiert zu werden, sollte sich jeder Wähler vorher wirklich gut überlegen. Selbst im Angrenzenden zehnten Bundesland Bayern sieht man einen rechtspopulistischen Bundespräsidenten Hofer mit großer Sorge, steht doch auch dort bereits nächstes Jahr die Bundestagswahl am Programm. Ein richtungsweisendes Signal nach rechts käme in Zeiten wie diesen äußerst ungelegen und würde die Machtbasis von AfD nur zusätzlichem Aufwind geben. Unser Land, unser Europa braucht eine verlässliche und vertrauensvolle Basis und keine neuen politischen Experimente. In diesem Sinne setze auch du auf Vernunft statt Extreme – auf unseren neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.


AUFGEPASST! Willst du noch mehr Informationen rund um die neuesten Themen auf Mothersdirt? Dann folge ab sofort Mothersdirt auch auf Facebook! Mit einer Vorschau auf kommende Diskussionen und regelmäßigen Updates zu aktuellen Themen, die mit einer Vielzahl an Hintergrundinformationen abgerundet werden. Am besten gleich hier folgen und nichts mehr verpassen!


Weiterführende Links:
Offizielle Van der Bellen Wahlkampfseite (03.12.2016, 22:26) – Deutsch
Wikipedia-Artikel zu Van der Bellen (03.12.2016, 22:27) – Deutsch
Orf – Being Präsident: „Gertrude“ als später Wahlkampfhöhepunkt (Artikel und Video) (03.12.2016, 22:28) – Deutsch
Die Presse: Laut einer Aussage HC Straches ist ein Bürgerkrieg mittelfristig nicht unwahrscheinlich (03.12.2016, 22:34) – Deutsch

Quellenangaben:
Titelbild: https://www.vanderbellen.at/mitmachen/aktiv-werden/online-aktiv-werden/ (03.12.2016, 22:17) – Van der Bellen: Wählen nicht wundern (Bild mit Photoshop zugeschnitten).
https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/videos/1366125040099201/ (03.12.2016, 22:19) – Ausschnitt aus dem Interview mit der 89-jährigen Gertrude aus Wien (Bild mit Photoshop zugeschnitten).
https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/photos/a.141044352607282.31184.138508202860897/1376786285699743/?type=3&theater (03.12.2016, 22:21) – Van der Bellen: Lassen Sie uns gemeinsam darauf schauen, dass… (Bild mit Photoshop zugeschnitten).
https://www.vanderbellen.at/mitmachen/aktiv-werden/online-aktiv-werden/ (03.12.2016, 22:23) – Van der Bellen: Nein zum Öxit (Bild mit Photoshop zugeschnitten).

 

Offizielle Van der Bellen Wahlkampfseite: Infos zu seiner Person (03.12.2016, 22:26) – Deutsch

Wikipedia-Artikel zu Van der Bellen (03.12.2016, 22:27) – Deutsch
Orf – Being Präsident: „Gertrude“ als später Wahlkampfhöhepunkt (Artikel und Video) (03.12.2016, 22:28) – Deutsch
Kurier: Was für und was gegen Alexander Van der Bellen spricht (03.12.2016, 22:30) – Deutsch
Gmx.at: Mögliche Auswirkungen der Bundespräsidentschaftswahl auf Deutschland (03.12.2016, 22:31) – Deutsch
Kurier: Aus dem frühen Leben Van der Bellens (03.12.2016, 22:33) – Deutsch
Die Presse: Laut einer Aussage HC Straches ist ein Bürgerkrieg mittelfristig nicht unwahrscheinlich (03.12.2016, 22:34) – Deutsch