Meine Reise nach Fukushima

Geisterstadt Futaba

Bald sind mehr als fünf Jahre seit dem Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami, der das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I) zur Havarie brachte, vergangen. Das mediale Interesse hat trotz aller Brisanz seither deutlich abgenommen, obwohl weiterhin seit dem Unglück viele Vorkommnisse im Unklaren erscheinen. Folge mir auf meiner Reise durch Namie, einem Vorort von Fukushima, um zu sehen, wie es dort heute nach dem Super-Gau aussieht.

Es war die größte nukleare Katastrophe seit Tschernobyl 1986. Ein Doppelanschlag von Mutter Natur um uns die Verwundbarkeit des menschlichen Daseins in Erinnerung zu rufen.

Um auch ein Bild abseits der Atomkraftwerke zu liefern, machte ich mich auf (besser gesagt der „Google Konzern“), um für das Kartenmaterial der „Google Street View“ Fotos zu machen. Diese beeindruckenden Fotos habe ich nun in einem „Stop-Motion Film“ zusammengestellt.

Wer nun an Häuserskelette oder gar weiten Ebenen denkt, liegt völlig falsch. Während der Tsunami die Küstengebiete zu eins mit dem Boden planierte, sind die Vorstädte wie Namie (浪江町) und Futaba (双葉町) vor allem von Schäden durch das Erdbeben gezeichnet. Der verlassene Ort erweckt den Anschein, als würden manche Gebäude nur auf ein paar Handwerker, und die Geschäfte auf Kunden warten. Während die Architektur weiterhin stark beschädigt ist und eindringendes Wasser sein übriges tut, hat sich die Natur bereits längst vom Schaden erholt. Ruinen und Schutt sind bereits flächendeckend von Pflanzen und Sträuchern überwuchert und verdecken das Elend. So ist es nicht verwunderlich, dass sogar so etwas wie regulärer Autoverkehr zu sehen ist, der sich zwischen den Gebäuderuinen seinen Weg bannt.

Fährt man von Namie in die nächste vom Atomkraftwerk Fukushima entfernte Stadt, zeigt sich ein komplett anderes Bild. Es scheint als wäre an diesem verhängnisvollen 11. März 2011 nichts geschehen. All die Sorgen vor der Strahlung sind scheinbar nicht (mehr) vorhanden. Nur wenige Kilometer von der strahlenden Ruine sind die Schäden von 2011 längst verschwunden. Die Bewohner sind zurückgekehrt um ihr Leben fortzusetzen, der Schulbus bringt die Kinder in die Schule und die Geschäfte empfangen wieder Kundschaft. In Österreich macht man sich noch immer Gedanken um Nachwirkungen von Tschernobyl von vor 30 Jahren! In Japan hingegen wird eine erhöhte Strahlendosis von der Politik einfach in Kauf genommen, damit eine Normalisierung in der Präfektur Fukushima schnellstmöglich eintritt.

Ab dem Jahr 2017 wird allen Bewohnern aus zuvor evakuierten Gebieten deren Strahlungsniveau als nicht mehr „stark kontaminiert“ gilt, die staatlichen Förderungen gestrichen und somit mehr oder weniger gezwungen in die Gebiete zurückzukehren. Namie ist mittlerweile aus der Sperrzone ausgegliedert und je nach radioaktiver Belastung in drei Zonen eingeteilt worden.

Nun das Wichtigste: Was sind schöne Worte ohne Bilder? Hier folgt der Film über meine Reise durch Namie. Ansehen lohnt sich!

Karte Namie

Meine „gefahrene“ Route des obrigen Kurzfilms und die tatsächliche Nähe zum Atomkraftwerk

Welche Eindrücke habt ihr durch das gezeigte Video gewonnen? Was hat euch überrascht oder was ist euch besonders aufgefallen? Lasst mich an euren Gedanken teilhaben  – am besten als Kommentar!


Weiterführende Links:
Youtube-Video zu meiner Reise durch Namie (15.01.2016, 00:29) – Deutsch
Wikipedia Artikel zum Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (15.01.2016, 00:31) – Deutsch
Wikipedia Artikel zur Nuklearkatastrophe von Fukushima (15.01.2016, 00:32) – Deutsch
Google Maps „Namie“ in Japan (15.01.2016, 00:34) – Deutsch
Wikipedia Artikel zu Futaba (Fukushima) (15.01.2016, 00:35) – Deutsch
Wikipedia Artikel zur Stadt Namie (Fukushima) (15.01.2016, 00:37) – Deutsch

Quellenangaben:
Titelbild: http://blogs.c.yimg.jp/res/blog-61-d0/sasaootako/folder/1506627/23/62054923/img_2?1399873735 (15.01.2016, 00:38) – Bild aus der Geisterstadt „Futaba“ (Fukushima)
https://www.youtube.com/watch?v=BinQvuJxoWs&feature=youtu.be (15.01.2016, 00:39) – Youtube Video zu meiner Reise nach Namie
https://www.https://www.google.at/maps/place/Namie,+Futaba-gun,+Pr%C3%A4fektur+Fukushima,+Japan/@37.4251072,140.9865115,11642m/data=!3m1!1e3!4m2!3m1!1s0x602092b70ae7a101:0xebf0cc4606099672!6m1!1e1.at/maps/place/Namie,+Futaba-gun,+Pr%C3%A4fektur+Fukushima,+Japan/@37.4251072,140.9865115,11642m/data=!3m1!1e3!4m2!3m1!1s0x602092b70ae7a101:0xebf0cc4606099672!6m1!1e1 (15.01.2016, 00:41) – Aus „Google Maps“ inklusiver eigener grafischer Bearbeitung
https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Fukushima (15.01.2016, 00:46) – Wikipedia Artikel zur Nuklearkatastrophe von Fukushima
https://de.wikipedia.org/wiki/Futaba_%28Fukushima%29 (06.01.2016, 23:50) – Wikipedia Artikel zur Stadt Futaba (Fukushima)

 

Baotou: Chinas Hölle auf Erden

Radioaktiver SeeIn Zeiten massiver Umweltverschmutzung und dem einhergehenden Klimawandel wird der Ruf nach dem Ausbau grüner Energie immer lauter. Am Beispiel der Millionenstadt Baotou wird deutlich, dass Smartphones nicht „smart“ sind und die grüne Energie zum ökologischen Sargnagel werden könnte. Der weltweite Hunger nach Fortschritt mündete dort in einen radioaktiv verseuchten Schlackensee unglaublichen Ausmaßes.

Bringt man China mit massiver Umweltverschmutzung in Verbindung denkt man zuerst an den dichten gelblich-grauen Nebel der dortigen Millionenmetropolen. Verantwortlich gemacht werden fast immer die Kohlekraftwerke, die nach wie vor den Großteil der Energie liefern. Wurde das Problem viele Jahrzehnte verdrängt, ist mittlerweile auch die chinesische Regierung auf den Zug des Umweltschutzes aufgesprungen – zumindest den staatlich gesteuerten Nachrichtenkanälen zufolge. In Europa schon lange Zeit alltäglich, wird nun auch in China hinter den Slogans „Bio, Ressourcenschonend, Nachhaltigkeit und grüner Energie“ die Lösung aller Umweltprobleme gesucht. Bringt man bei uns die großen Windturbinen der Windparks und die Elektroautos auf den Straßen fast immer mit einem gesunden Ökosystem und Nachhaltigkeit in Verbindung, ist bei einer Rückverfolgung der Produktionskette dieses Bild nur schwer aufrechtzuhalten. Das Produkt der „Grünen Energie“ ist mittlerweile gut beworben und in den Köpfen der Menschen angekommen.

BAYAN OBO, CHINA – DECEMBER 21, 2010

Die Bayan-Obo Mine

Seien es Smartphones, Fernsehgeräte, Kameralinsen, Laptops, Elektroautobatterien oder Magnete für Windturbinen – sie alle haben einen gemeinsamen Ursprung. Dieser ist in Bayan Obo, eine Mine im autonomen Gebiet der inneren Mongolei der Volksrepublik China. Neben einer Erzlagerstätte befindet sich dort das weltweit größte Vorkommen an Seltenerdmetallen, auf die über 90% der weltweit abgebauten SEE (Seltenerdelemente) entfallen. 70 Prozent der bislang bekannten Weltreserven lagern allein auf dem Gelände dieser Mine. Geologen vermuten bei einem Gehalt von 3 – 5,4% an im Gestein enthaltenen Seltenerdmetallen, eine Gesamtmenge von etwa 35 Millionen Tonnen.  Das entspreche einer 270-fachen Abbaumenge von 2011. Daneben gibt es eine nicht unwesentlich große Menge von 470 Millionen Tonnen an Eisenerzvorkommen. Um die weltweite Nachfrage nach den Metallen zu decken sind allein in dieser Mine bis zu 6000 Arbeiter im Tagebau beschäftigt.

Obwohl der Ressourcenreichtum der Region tausenden Menschen das Überleben sichert, werden auch die einhergehenden Umweltprobleme zu einem immer ernsteren Thema. Der Erzabbau hat einem riesigen Wasserverbrauch zufolge, obgleich die dortigen Wasserreserven gerade einmal 1,6% der Gesamtmenge Chinas entsprechen. Das hat zur Folge, dass das Grundwasser durch den Abbau nicht nur verunreinigt wird, sondern dieses in immer tiefere Lagen absinkt. Das fragile Ökosystem mit den ausgedehnten Graslandschaften verödet nach und nach und hat eine Ausbreitung der Wüsten zur Folge. Aufgrund starker Winde, wird der Sand immer weiter ins Landesinnere verfrachtet und sogar bis nach Japan und Taiwan über das Meer geblasen.

Kohle Transport

Kohletransport über Bergpässe – Copyright Toby Smith/Unknown Fields

Die Weiterverarbeitung der abgebauten Erze erfolgt nahe der über zwei Millionen Einwohner zählenden Stadt Baotou (包头). Nur etwa 20 Fahrminuten vom Stadtzentrum entfernt, befindet sich, was gewiss als Hölle auf Erden zu bezeichnen ist. Vor riesigen Fabrikanlagen der Baotou Steel Rare Earth Group, die mit ihren rauchenden Schloten den Himmel vergrauen und die Umgebungsluft in einen latenten Schwefelgeruch hüllen, befindet sich der weltweit größte Abwassersee der Welt vorgelagert. Die Fabrikanlagen des Stahlkonzerns sowie einige Chemiefabriken, bilden eine graue Silhouette die einer Großstadt gleicht. Obwohl sich diese, im Grau des Nebels versteckt, erst dahinter erstreckt. 1950 zählte die Stadt Baotou noch 97.000 Einwohner, infolge der Industrieansiedlungen ist die Bevölkerung bis heute auf über zwei Millionen angewachsen.

Baotou

Blick vom Schlackensee auf die Industrieanlagen von Baotou – Copyright Toby Smith/Unknown Fields

Findet in Bayan Obo der Abbau statt, werden in Baotou unter Anwendung von Unmengen an Chemikalien und Wasser in aufwendigen Verfahren die Seltenerdmetalle vom Muttergestein gelöst. Für rund eine Tonne der Seltenerdmetalle entstehen 75 Tonnen an hochgiftigem Abwasser. Das kontaminierte, zähflüssige Abwasser, bestehend aus schwach radioaktiven Stoffen, Schwermetallen, sonstigen toxischen Chemikalien und Reste der Seltenerdmetalle wird über die zahlreichen Leitungen in den „Wei-Kuang“ (尾矿坝) genannten Abwassersee gepumpt und lagert sich dort allmählich in Form eines hochgiftigen Schlamms ab. Der „schwarze See“, der auch auf Google Maps sehr gut zu erkennen ist, hat innerhalb von 50 Jahren eine unglaubliche Größe von zehn Quadratkilometer erreicht und erhebt sich im Mittel um 30 Meter von der Umgebung. Diese Ausmaße entsprechen in etwa dem Volumen von 92.000 Schwimmbecken olympischen Ausmaßes. Um den See herum führen breite Transportstraßen, um die Anlieferung der Erze mittels dieselbetriebener Lastwägen zu ermöglichen. Die Umgebung gleicht mittlerweile einer einzigen Mondlandschaft, deren Verödung nicht einmal Bäume trotzen konnten. Die Gefahr für Umwelt und Bevölkerung geht nicht nur vom See selbst aus, sondern vor allem vom Fakt, dass die Abwässer unkontrolliert in tiefere Bodenlagen sickern können. Dies hat zur Folge, dass das Grundwasser durch die Konzentration an Schwermetallen vergiftet wird und sich das toxische Gemisch um jedes Jahr den nur zehn Kilometer entfernt gelegenen „Gelben Fluss“ um etwa 300 Meter nähert. Der „Huang He“ (i. Anm.: Der Gelbe Fluss) ist einer der größten Flüsse Chinas und die wichtigste Wasserquelle des Nordens. Seine Verschmutzung wäre ein noch größeres Unglück als die Umweltkatastrophe des „Songhua-Flusses“ von 2005. Eine bereits sehr akute Gefahr ist bereits Realität geworden: Durch den nicht zeitgemäß optimierten Abbau der Seltenerdmetalle landen große Mengen davon im See und verstrahlen die Umgebung mit einer dreimal höheren Hintergrundstrahlung als normal üblich. Thorium, ein hochradioaktives Abfallprodukt das in hohen Mengen im See landet, könnte in Zukunft für die atomare Stromerzeugung nutzbargemacht werden und dann im See abgebaut werden. Die lockere Schichtung der hochgiftigen Abwässer und der „SEE“ haben zufolge, dass sie von Wind leicht in die Umgebung getragen werden können und sich infolge Regens in den zuvor nicht kontaminierten Böden ablagern.

Ofen Baotou

Bild aus einer der großen Industrieanlagen Baotous – Copyright Toby Smith/Unknown Fields

Um sich selbst ein Bild von der Umweltzerstörung in Baotou und Umgebung zu machen, machte sich eine Projektgruppe namens „Unknown Fields Division“ auf dem Weg dorthin. Die Gruppe bestehend aus Architekten und Designer bereisen weltweit entlegene Orte um diese zu dokumentieren. Bei deren Anfahrt an den sonst weitgehend geheim gehaltenen Ort, wurden sie zu ihrer Überraschung von keinerlei Wachposten angehalten. Tim Maughan, ein mitgereister Reporter der BBC nannte den verstörenden und fürchterlichen Anblick, der sich ihm beim ersten Anblick des Sees bot, als wahrgewordene „Hölle auf Erden“

 

Um den Grad der Verschmutzung zu verdeutlichen, nahmen sie Proben der Schlacke mit um diese einerseits im Labor zu untersuchen und anderseits Ming Vasen in unterschiedlichen Größen zu formen. Der Zweck bestand darin, dass dem Verbraucher verdeutlicht werden sollte, welchen Einfluss jeder Einzelne auf die Umwelt nimmt. Jede Vase entspricht in ihrer Größe, jenem Anteil des Schlackenabfalls, der beim Abbau des im jeweiligen Gerät verbrauchten Seltenerdmetalls angefallen ist. Die drei Vasen stellen den Akku eines Smartphones, ein ultradünnen Laptop und die Zelle eines Elektroautos dar und wurden im Zuge einer Ausstellung im „Victoria & Albert Museum“ ausgestellt.

Ming Vase

Die fertigen Ming-Vasen im „Victoria & Albert Museum“ – Copyright Toby Smith/Unknown Fields

Bei einer Führung durch eine der stahlverarbeitenden Firmen Baotous wurde dem Team von „Unknown Fields Division“ erläutert, dass dort vor allem das Seltenerdmetall „Cer“ verarbeitet wird. Dieses Metall findet meist Anwendung in der Glaspolitur von Smartphones, dem Einfärben von Glas sowie auch in der Erzeugung von Katalysatoren. Im Zuge ihrer Führung machte sie jedoch ein Aspekt stutzig: Trotz der enormen Größe und jährlichen Produktionsmenge, befand sich zum Zeitpunkt ihrer Führung kein einziger Arbeiter vor Ort. Bei nur allzu kritischen Fragen wichen die Führer aus oder hüllten sich in Schweigen. Offiziell hieß es nur allzu oft, dass die Fabriken für einige Zeit ihre Produktion drosseln würden, um fällige Wartungsarbeiten durchzuführen, beziehungsweise die gesetzlichen Umweltschutzauflagen zu erfüllen. Der Verdacht ist jedoch vielmehr, dass ein Produktionsstopp als Ventil für die Preisregulierung benutzt wird, um den Preis der Ware auch bei geringerer Nachfrage hoch zu halten und somit vor einem Wertverfall zu schützen. Ein weiteres Element, das dort gewonnen wird ist „Neodym“. Es dient ebenfalls wie das „Cer“ zur Glaspolitur bei Smartphones und Tablets sowie auch bei der Produktion von Lasern und Magneten geringen Gewichtes. Es findet Anwendung in der Unterhaltungselektronik bei Ohrknöpfen (in Anm.: Kopfhörer, die im Ohr getragen werden), in Computerfestplatten, am anderen Ende der Versorgungskette in der Erzeugung von Windturbinen mit ihren benötigten starken Magnetfeldern und in modernen Elektroautomotoren.

Trotz der widrigen Lebensumstände leben nach wie vor viele Menschen in den, um den Schlackensee gelegenen Dörfern. Wenn auch die Bevölkerungszahl von Dörfern wie Xingguang Sancun innerhalb von zehn Jahren von 3000 auf nunmehr 200 gesunken ist, wollen sie bleiben. Im Jahr 2008 wendete die Stadt Baotou und die Betreiberfirma „Baogang“ rund 500 Millionen Yuan auf, um die Bauern der umliegenden  Dörfer umzusiedeln. Jedoch verließen nur die wenigsten ihre alten Behausungen. Trotz der Verschmutzung und der gesundheitlichen Risiken würden sie infolge der Umsiedlungen noch zusätzlich ihr Stück Land, und damit jede Lebensgrundlage verlieren. Die neuen Wohnungen wären viel besser als ihre alten Häuser, jedoch die Kompensationszahlungen viel zu gering um davon ein neues Ackerland zu erwerben.

Lageplan Baotou

Satellitenkarte von Baotou

Als der See in den 1960er Jahren angelegt wurde, bemerkten die Bewohner der Dörfer noch nichts von den aufkommenden Problemen. Jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die Ernteerträge immer geringer. Seit den 80er und 90er wachsen nur noch verdorrte Pflanzen. Selbst auf den entfernteren Feldern beträgt der Ertrag nur etwa 70% der normal ortsüblichen Menge. Nutztiere wie Schweine und Schafe wurden krank. Den Schafen wuchsen überlange Zähne, bis sie nichts mehr essen konnten und verhungerten. Eine Vielzahl der Menschen leiden seither an Osteoporose und Zahnausfall. Die Krebsrate ist ebenfalls gestiegen. Durch die Luft- und Wasserverschmutzung ist das Immunsystem stark geschwächt und die Menschen für Krankheiten anfällig geworden. Obwohl die Bewohner genau wissen, dass das Trinkwasser verseucht ist, trinken sie es. Für viele sind die Trinkwasserkanister aus den Supermärkten einfach nicht leistbar. Auch die Regierung erkannte das Problem der Wasserversorgung und veranlasste die Brunnen tiefer zu graben. Da das Abwasser des toxischen Sees bereits in tiefe Lagen vorgedrungen ist, sind auch tief gelegene Brunnen bereits nach kurzer Zeit verschmutzt.

Die traurige Ironie um den riskanten Abbau und der einhergehenden großen Verschmutzung besteht darin, dass die Seltenerdmetalle nicht nur in den Unterhaltungsmedien wie Flat Screens und Smartphones Verwendung finden, sondern vor allem in der hochgelobten grünen Technologie, wie in Antrieben für Elektroautos, Solarzellen und Windturbinen. Da stellt sich sogar die Frage, wie „gefährlich“ oder unter welchen Aspekt von „Gefahr“ die Atomenergie im Vergleich dazu zu sehen ist! Allein in China muss in Anbetracht der Ausbaupläne von grüner Energie, der Abbau entweder sauberer und dadurch auch teurer werden, oder noch weitere hochgiftige Schlackenseen entstehen.

Vor allem beim „Cer“ und „Neodym“ stellt sich die Frage, warum diese als „Seltenerdmetalle“ bezeichnet werden. Obwohl über 90% der weltweiten Nachfrage durch den dortigen Abbau gedeckt wird, lagern lediglich 30% der bisher weltweit bekannten Rohstoffmengen in den dortigen Minen. Sie sind also alles andere als wirklich selten! Die Antwort liegt in den meist hohen Umweltstandards anderer Teile der Welt. Um den Abbau erst kostengünstig zu gestalten und somit die Endgeräte für die breite Masse leistbar zu machen, werden hohe Umwelt- und Gesundheitsrisiken in Kauf genommen. China als Werkbank der Welt zu bezeichnen war noch nie treffender! Es zeigt uns, dass das Monopol an Seltenerdmetallen weniger mit Geologie, sondern vielmehr mit dem Willen ein höheres Risiko für Gesundheit und Umwelt einzugehen. Für ein sauberes Europa, müssen andere Länder unseren Schmutz übernehmen – sei es beim Recycling oder bereits in der Produktion.

Vor allem der Endverbraucher sollte sich dringend Gedanken über sein eigenes Nutzerverhalten machen. Früher verwendeten wir edle Metalle und schätzten die Geräte als etwas Wertvolles. Heute verwenden wir noch seltenere, und noch schwerer abzubauende Metalle, nur um sich im zwei Jahres Rhythmus ein neues anzuschaffen!

Die Unterhaltungsindustrie fordert uns auf, viel Geld in die immer neueste Technik zu investieren. Der Kunde folgt den leeren Versprechungen! Es wird versprochen, dass alles einfacher, schöner, besser und einfacher wird. Wie kann man schlussendlich tatsächlich wirtschaftlicher Leben und was braucht man wirklich? Ist eine Trendumkehr noch möglich? Und was kann deiner Meinung jeder einzelne dazu beitragen? Wie viele Schlackenseen und lebensunwürdige Plätze wird sich der Mensch noch schaffen und wie viele davon kann unsere Welt noch tragen? Eines ist sicher: Baotou ist vielleicht der Anfang, aber zu einer Regel darf und kann es nicht werden! Freue mich auf jeden Fall auf deine Ideen und Denkanstöße in den Kommentaren!


Weiterführende Links:

Quellenangaben:
Titelbild: http://www.unknownfieldsdivision.com/img/projects/summer2014/worlds-largest-rare-earth-mineral-refinery_radioactive-waste-lake_03_liam-young.jpg (07.01.2016, 00:25)
http://www.unknownfieldsdivision.com/img/projects/summer2014/1-20101220-Unknown_Fields-0011-1120×747.jpg (07.01.2016, 00:37) – Die Bayan-Obo Mine
http://www.unknownfieldsdivision.com/img/projects/summer2014/1-20101220-Unknown_Fields-0011-1120×747.jpg (07.01.2016, 01:07 – Kohletransport über Bergpässe
https://www.youtube.com/watch?v=bxjq0LBsd94  – Youtube Video vom Schlackensee in 4K (07.01.2016, 00:51) – Englisch
Schlackensee von Baotou auf „Google Maps“ (06.01.2016, 23:50)
http://www.unknownfieldsdivision.com/img/projects/summer2014/worlds-largest-rare-earth-mineral-refinery_radioactive-waste-lake_01_liam-young.jpg (07.01.2016, 00:33) – Blick vom Schlackensee auf die Industrieanlagen von Baotou
http://www.theguardian.com/environment/gallery/2015/apr/15/rare-earthenware-a-journey-to-the-toxic-source-of-luxury-goods#img-5 (07.01.2016, 01:02) – Bild aus einer der Industrieanlagen Baotous#
Wikipedia-Artikel zu Baotou (06.01.2016, 23:37) – Deutsch
Leitartikel aus ORF.at „Auf der dunklen Seite des Fortschritts“ (06.01.2016, 23:38) – Deutsch
Bilder zum Film „Technology“ und Infos zu „Rare Earthware“ der „Unknown Fields Division“ (06.01.2016, 23:43) -Englisch
Schlackensee von Baotou auf „Google Maps“ (06.01.2016, 23:50)
Leiartikel auf „BBC.com“ – The dystopian lake filled by the world’s tech lust (06.01.2016, 23:52) – Englisch
„Stimmen aus china.de“ – Selten unnachhaltig – Selten erden und Umweltverschmutzung in China (06.01.2016, 23:55) – Deutsch
„Stimmen aus china.de“ – Chinas seltene Erden im Sonderangebot? (06.01.2016, 23:57) – Deutsch
Bericht von „Asienhaus“ zum Bergbau in der inneren Mongolei (07.01.2016, 00:04) – Deutsch/PDF
Wikipedia-Artikel zur Bayan-Obo Mine(07.01.2016, 00:06) – Deutsch
Artikel des „Deutschlandradio Kultur“ – Die wahren Kosten der seltenen Erden  (07.01.2016, 00:10) – Deutsch
Artikel des „Spiegel-Magazins“ zur Songhua Fluss Katastrophe (07.01.2016, 00:12) – Deutsch
Artikel des „Guardian.com“ – Rare Earthenware (07.01.2016, 00:13) – Englisch