Hier sind Tattoos illegal

Tätöwiert_verhaftet
Während in Europa der Trend zum Körperschmuck bereits alle Gesellschaftsschichten ergriffen hat und auf eine breite Akzeptanz trifft, wird in Korea und Japan das Tätowieren mit einer schweren Straftat gleichgesetzt. Die Tätowierer werden verfolgt und die illegalen Salons zugesperrt. Die Szene wächst trotz allem von Jahr zu Jahr – Wie auch langsam die Toleranz in der Gesellschaft.

Der Schein ist trügerisch: Obwohl Tattoos in Korea keine breite Akzeptanz erfahren, blickt das Land auf eine lange Geschichte zurück. Die Ersten, die sich stechen ließen, waren Fischer um sich vor bösen Geistern zu schützen. Während der Joseon Dynastie (조선 왕조), die 1392 begann und erst im Jahr 1910 endete, war es für Verbrecher und Sklaven üblich sich zu tätowieren. Es diente als sichtbares Erkennungsmerkmal, dass es sich bei diesen Personen um aus der Gesellschaft ausgeschlossene handelte. Normalbürger tätowierten sich nicht,  da es in der buddhistischen Lehre wichtig ist, den Körper unversehrt zu halten. Während des 20. Jahrhunderts begannen Kriminelle mittels Tätowierung ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Gang“ zu zeigen. Aus diesem Hintergrund rührt die heutige Generalverdächtigung her, dass, eine tätowierte Person ein Verbrecher, oder bestenfalls nicht vertrauenswürdig sei. Dies ging sogar soweit, dass tätowierte Personen vom sonst strengen, zweijährigen verpflichtenden Militärdienst befreit wurden. In Verbindung mit der Tätowierung kamen Pauschalverdächtigungen zu mögliche Straftaten auf und ihr Lebenslauf wurde dahingehend auf mögliche Vergehen akribisch durchleuchtet.

Diese Einstellung zu Tattoos bei der älteren Generation noch heute durchaus üblich, führte bei der Jugend mittlerweile zu einer weit verbreiteten Akzeptanz. Dass selbst im 21. Jahrhundert diese Vorurteile noch immer vorhanden sind, macht sich vor allem in öffentlichen Einrichtungen, wie Freibäder bemerkbar. Ist einem früher der Zutritt  verwehrt worden, ist die Benutzung heutzutage für jeden möglich, wenn auch die Blicke der Leute gewiss auf die sichtbaren Tattoos gerichtet sind. Während Tätowierungen bei Ausländern meist toleriert werden, kann es durchaus sein, dass ein Koreaner etwaige Probleme bekommen kann. Während in der westlichen Kultur tätowierte Frauen früher als unweiblich angesehen wurden, lassen sich auch in Korea immer mehr junge Frauen kleine Tattoos stechen, die dann aber meist verheimlicht, oder zumindest in der Öffentlichkeit mit langen Hosen oder langen Ärmeln abgedeckt werden.

Da die koreanische Regierung das Stechen als medizinischen Eingriff einstuft, ist das tätowieren ausschließlich ausgebildeten Ärzten erlaubt. Der Regierung zufolge wird durch diese Regelung die Verbreitung von Hepatitis und HIV eingeschränkt, da man wegen mangelnder Hygiene allgemein, oder dem mehrmaligen Verwenden der Nadeln Infektionen befürchtet. Weil infolge des Stechens eines Tattoos der Körper punktiert wird und an manchen Stellen Blutungen entstehen, ist laut Gesetzesregelung der Nachweis eines medizinischen Eingriffes erbracht. Da nur eine Handvoll von Ärzten in Korea die Ausbildung zum Tätowierer haben und diese gleichzeitig einer Szene aus mehreren hundert illegaler Tattoo-Studios gegenüberstehen, gleicht die Einhaltung und Kontrolle dieser Gesetze einem schier unmöglichen Unterfangen. Überdies besteht kaum Nachfrage nach staatlich geprüften Tätowierern. Zum einem gibt es nur sehr wenige Ärzte, die bereit sind ein jahrelanges Studium zu absolvieren, um anschließend Künstler an der Tätowiermaschine zu werden und darüber hinaus würden nur die wenigsten Eltern diese eingeschlagene Laufbahn der eigenen Tochter / des eigenen Sohnes gutheißen. Zum anderen werden die künstlerischen Fähigkeiten der illegal arbeitenden Tätowierer höher geschätzt und sind deshalb auch beliebter. Zudem sei noch erwähnt, dass fast alle tätowierenden Ärzte selbst von einem illegal arbeitenden Tätowierer gelernt haben, und nicht umgekehrt.

„Wenn du ein Tattoo haben möchtest, musst du in ein Krankenhaus gehen? Das ist echt schwachsinnig“

– Jun-Hyuk Besitzer des Tattoo-Studios „Tattooism“ im Zentrum Seouls

Tätowieren in Korea ist gut vergleichbar mit der rechtlichen Situation der Prostitution: Beides ist nicht erlaubt, aber oftmals unter dem Deckmantel des Schweigens toleriert.

Jun-Hyuk

Tattoo-Künstler Jang  Jun-Hyuk bei der Arbeit in seinem Studio in Seoul

Obwohl es in Gegensatz zu Europa eher unüblich ist, sich zu tätowieren, bedeutet das nicht, dass es in Südkorea keine Tattoo-Szene gibt. Gut vor der Justiz getarnt befinden sich viele Studios im Untergrund der Großstädte verborgen – Tendenz stark steigend. Die vorherrschende Gesetzeslage verhindert es, das Geschäft mittels sonst allgegenwärtigen Leuchtreklamen anzupreisen und die Tätowierer beschränken sich auf die Vernetzung innerhalb der Szene, der Mundpropaganda und natürlich dem Internet. In Hinterhöfen, dunklen Kellern oder sogar privaten Wohnungen verbirgt sich so manch begnadeter Künstler hinter einer unscheinbaren Tür. Entweder komplett ohne Türschild am Eingang, oder nur Szene-Insidern bekannten Andeutungen in Form von Graffiti oder Aufklebern. Es gleicht alles irgendwie weniger einer Werbung, als einer Schnitzeljagd. Alles um im Schutz vor der Justiz der Arbeit nachzugehen.

Tattoo-Shop

Nur selten sind Studios so gut wie hier am Beispiel von „Sunrat Tattoo“ beschildert

Das Tätowieren an sich, selbst bei einem unlizenzierten Tätowierer, ist für den Kunden nicht strafbar. Einzig der Tätowierer kann belangt werden. Hohe Geldstrafen und nicht selten die Schließung des Studios sind die Folgen. Um dieses Risiko zu minimieren und flexibler zu sein, haben viele Tätowierer kein eigenes Geschäft mehr, sondern leben von Hausbesuchen. Die Serviceleistungen werden auf der eigenen Homepage oder Facebookseite beworben. Der Kunde ruft diesen unter der angegebenen Nummer an und besucht ihn in seinem eigenen Zuhause, oder der Tätowierer fährt zu ihm. Da viele Koreaner um die genaue Gesetzeslage nicht Bescheid wissen, die Untergrundszene rasant wächst und somit die vorhandenen Gesetze um das eine oder andere Mal aushebelt werden, werden Rufe nach einer Entkriminalisierung des Gewerbes immer lauter. Eine staatliche Kontrolle und Einführung einheitlicher Gesundheitsstandards wären einfacher überprüfbar.

Vor 5 Jahren wurde der Tattoo-Künstler Jang während einer Razzia in seinem Studio aufgegriffen und verhaftet. Er musste eine Strafe von umgerechnet 3000 Dollar zahlen und eine Haftstrafe von einem Jahr wegen öffentlicher gesundheitsgefährdender Handlungen verbüßen. Trotz vereinzelter Razzien sind manche Studios, wie das im Touristenviertel von Iteawon (이태원) betriebene „Maverick“ kühn genug, um mittels Leuchtreklame vor dem Geschäft zu werben. „Es ist eine Art des passiven Widerstandes.“, sagt Lee Sung-Je, Eigentümer des „Maverick“. Die Kunden der Tattoo-Studios kommen aus allen Gesellschaftsschichten: Beamte, Arbeiter und Manager von großen Firmen wie Samsung. Das Tätowieren spaltet die Gesellschaft: Während Jüngere sie oftmals „hip“ finden, halten viele Ältere sie für Kriminelle.

Heute sind viele dieser illegalen Tattoo-Studios in der Nähe großer Universitäten und touristischer Bezirke zu finden. Das Gebiet um die Hongik Universität (홍익대학교), in Sincheon (신천동), Apgujeong-dong ( 압구정동), Itaewon (이태원) und Dongdaemun (동대문) sind nur ein paar dieser beliebten Orte in der Hauptstadt Seoul.

Tattoo-Studio in Korea

Das ist kein Frisör, sondern das Seouler Szene Tattoo-Studio „Tatist Tattoo“

Um trotz aller Einschränkungen ein Studio zu betreiben ist man neben der Mundpropaganda auf  das „Social Network“ angewiesen. Der Auftritt auf den verschiedensten Plattformen entscheidet um die Existenzfähigkeit des Geschäftes. Sie sind auch oftmals die einzige Möglichkeit, die notwendige Anonymität vor den Gesetzeshütern zu wahren und sogleich mit interessierter Kundschaft in Kontakt zu treten. Einer dieser Anbieter ist „Kim Samy Tattoo“ auf mydestination. Das Internet gibt ihm die Möglichkeit seine Arbeiten in Form von Fotos auf Facebook und Twitter zu zeigen und dem Kunden mit einer detaillierten Beschreibung einen ersten Einblick in seine Arbeiten zu geben. Übersetzt heißt es hier: „Kim Samy Tattoo hat mit seinen, im Untergrund erstellten individuellen Tattoos bereits eine große Fangemeinde. Es ist ein gutes Beispiel wie wirkungsvoll die Mischung zwischen Mundpropaganda und echten Talent sein kann.“ Der weitere Kontakt erfolgt über eine angegebene Handynummer oder Emailadresse. Es findet sich auch eine Standortbeschreibung des Salons – natürlich nur ungefähr, um die Arbeit nicht zu gefährden.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob es für eine operierende Polizeieinheit nicht ein leichtes sei, unter einem falschen Vorwand die genaue Adresse zu erfahren? Aber andererseits ist dieser Aufwand bei der Anzahl der Geschäfte wohl ohnehin nur ein Kampf gegen Windmühlen.

Laut der „Association of Korean Tattooists“ haben bereits mehr als eine Million Südkoreaner ein illegal gestochenes Tattoo. Obwohl es bereits vor mehreren Jahren eine Debatte über eine Lockerung des Gesetzes gab, ist bislang noch immer nichts Greifbares geschehen. Wie lange es noch dauern wird und ob es die Tätowierer durch das neue Gesetz tatsächlich aus der Illegalität schaffen, ist mehr als fraglich.

Wie seht ihr die momentane rechtliche Lage der Tätowierer in Korea? Sind eurer Meinung nach die Bedenken aus medizinischer Sicht begründet? Sollte man vielleicht ähnliche Maßnahmen auch hierzulande ergreifen? Welche Erfahrungen habt ihr mit oder ohne Tattoos gemacht? Wie reagieren die Leute in unserer Gesellschaft daaruf? Wo sind die Grenzen der Körperkunst? Gibt es überhaupt noch welche? Wie ist eure Meinung? – Sagt es mir ganz einfach in den Kommentaren!


Weiterführende Links:

Quellenangaben:
Titelbild: http://i.imgur.com/bLiDm.jpg (24.02.2016, 00:21) – Verhaftung einer Person einer rechtsradikalen Gruppierung zugehörig

 

http://www.dailymail.co.uk/wires/afp/article-2911184/Koreas-outlaw-tattoo-artists.html (24.02.2016, 00:23) – Tattoo-Künstler Jang Jun Hyuk bei der Arbeit
http://sunrattattoo.blogspot.co.at/ (24.02.2016, 00:25) – Eingang zum Studio „Sunrat Tattoo“
https://www.facebook.com/TatistTattooStudio/photos_stream?ref=page_internal (24.02.2016, 00:27) – „Tatist Tattoo“ von innen gesehen

 

Eat Your Kimchi.com – Tattoos in Korea (23.02.2016, 23:54) – Englisch
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Verbreitetes Video zu den Tattoo-Studios in Südkorea (23.02.2016, 23:56) – Deutsch
Leitartikel der Dailymail UK: Korea’s outlaw Tattoo-Artists (23.02.2016, 00:00) – Englisch
Leitartikel von Korea4Expats: Tattoos in Korea (24.02.2016, 00:09) – Englisch
Seite von „Kim Sany Tattoo“ (24.02.2016, 00:11) – Englisch
Artikel der Korea Times: Tattoo  still taboo in Korea (24.02.2016, 00:18) – Englisch/Koreanisch
Bericht im Blog des schweizer „Tagesanzeiger“ (24.02.2016, 00:20) – Deutsch